FOMO, Lootboxen & Co – Was Dark Patterns im Gaming mit deinem Verhalten machen
Nicht alles, was sich gut anfühlt, ist gut gemeint. Und nicht alles, was du gern tust, hast du wirklich bewusst gewählt.
In vielen Games steckt heute mehr als nur Spielmechanik. Es steckt psychologisches Design dahinter – oft fein abgestimmt auf das, was dein Gehirn belohnt. Das muss nichts Schlechtes sein. Aber es lohnt sich, hinzuschauen.
In diesem Artikel geht es um vier gängige Muster im Game Design, die deine Aufmerksamkeit binden. Nicht weil du schwach bist. Sondern weil sie exakt auf menschliche Verhaltensmuster reagieren.
1. FOMO – Wenn „verpassen“ schlimmer wirkt als verlieren
„Das Event endet morgen. Danach ist es weg.“ (Außer es kommt nächste Woche zurück. In anderen Farben.)
FOMO – Fear of Missing Out – beschreibt das Gefühl, etwas zu verpassen. In Games taucht es auf, wenn bestimmte Inhalte nur für begrenzte Zeit verfügbar sind: Skins, Events, Belohnungen. Wer nicht „jetzt“ spielt, bekommt sie vielleicht nie wieder. Oder eben doch – aber anders verpackt.
Das soziale Gehirn reagiert empfindlich auf Ausschluss. Selbst wenn’s „nur ein Skin“ ist – das limbische System registriert: Du bist nicht mehr Teil der Gruppe. Das erzeugt Spannung. Und diese Spannung löst sich zuverlässig auf, wenn du einloggst. Kein Wunder, dass es funktioniert.
Auch zu finden in:
- Flash-Sales im Online-Shopping („Nur heute 40 %!“)
- ablaufenden Storys auf Social Media
- Online-Events mit eingeschränktem Zugang („Nur live – keine Aufzeichnung“)
2. Endless Progression – Das Spiel hört nie auf
„Game Over? Gibt’s nicht. Nur: Game weiter.“
Manche Spiele haben kein natürliches Ende. Stattdessen gibt es immer ein neues Ziel: ein höheres Level, bessere Ausrüstung, seltenere Items, eine neue Season.
Das Belohnungssystem im Gehirn mag Fortschritt – am liebsten in kleinen, konstanten Dosen. Das nennt man intermittierende Verstärkung: Ein bisschen Belohnung, ein bisschen warten, wieder ein Erfolg – gerade genug, um weiterzumachen.
Das macht nicht süchtig im klassischen Sinn, aber es bindet. Und zwar nicht, weil du „solltest“, sondern weil du mitten in etwas drin bist, das sich noch nicht ganz vollständig anfühlt.
Ähnliche Muster gibt es z. B. bei:
- Lernplattformen mit Punktesystem und „Streaks“
- Fitness-Apps mit Badges, Leveln oder monatlichen Challenges
- Arbeitsprojekten, die nie klar abgeschlossen sind („noch schnell das eine Update…“)
3. Lootboxen – Glücksspiel mit anderer Verpackung
„Ich hab nicht gewonnen – aber fast. Vielleicht nächste Kiste?“
Viele Spiele verwenden sogenannte randomisierte Belohnungssysteme: Du weißt vorher nicht, was du bekommst. Lootboxen, Kartendecks, Packs. Mal ist etwas Wertvolles drin, mal nicht. Der Trick ist: Das Nicht-Wissen macht den Reiz aus.
Diese Art von Verstärkung ist extrem wirksam. Studien zeigen: Unvorhersehbare Belohnungen führen zur höchsten Dopaminausschüttung. Nicht der Gewinn motiviert – sondern das fast Gewinnen.
Auch in anderen Bereichen sichtbar:
- Online-Shopping mit Mystery Boxes
- Dating-Apps mit Swipe-Mechanik („Vielleicht beim nächsten Versuch…“)
- Social-Media-Scrollen: Vielleicht kommt noch ein richtig guter Post
4. Grinding – künstliche Verknappung
„Du brauchst 120.000 Münzen. Oder: 9,99 €. Dein Move.“
Grinding beschreibt das Phänomen, bestimmte Ziele durch Wiederholung und Zeitaufwand zu erreichen. Das ist an sich nichts Neues – viele Spiele leben davon. Aber problematisch wird es, wenn Inhalte künstlich verknappt werden: Ein Fortschritt, der eigentlich einfach erreichbar wäre, wird so designt, dass du ihn entweder durch stundenlanges Spielen oder durch Geld bekommst.
Zwei Effekte spielen zusammen:
- Sunk Cost Fallacy – Wenn du schon viel investiert hast, willst du nicht aufhören.
- Selbstwertbindung an Leistung – Wenn etwas lange dauert, fühlt es sich „wertvoller“ an.
Vergleichbares Verhalten findet sich z. B. bei:
- Online-Kursplattformen mit Zugangsschranken
- Apps, die lange Wartezeiten durch Premium-Modelle abkürzen
- Mobilspielen, bei denen man „Leben“ nachkaufen kann
Fazit: Sie spielen mit deinem Gehirn – nicht mit deiner Freizeit
Diese Muster sind nicht „böse“ – aber sie sind gezielt gemacht. Und sie funktionieren besser, je weniger du sie erkennst.
Der Trick ist nicht, nie wieder zu spielen. Der Trick ist: zu wissen, wann du gespielt wirst.
Vorschau: Im nächsten Artikel
Geht’s weiter mit Dark Patterns wie:
- Social Comparison Loops (z. B. Leaderboards)
- Schein-Auswahl & Skinner-Boxen
- Streaks, Multiplikatoren & künstliche Identitätsbindung
Wenn du wissen willst, wie du dich (oder dein Kind) aus diesen Mustern lösen kannst, schau dir auch mein Guide für Gamer oder den Eltern-Guide an.